Potosí
Ist Sucre das administrative Zentrum und Aushängeschild der damaligen Silbergewinnung so kann Potosí als das operative Zentrum bezeichnet werden. Hoch über der Ortschaft thront der Cerro Rico, der ursprünglich Sumak Urku, also der schöne Berg hiess.
Der Legende nach entdeckte ein Lamahirt das Silber, als er am Boden einer Feuerstelle geschmolzenes Metall feststellte. Wie dem auch sei, Mitte des 16. Jahrhunderts gründete ein Spanier die erste Bergbausiedlung und ein regelrechter Silberrausch begann.
Bis 1611 wuchs die Stadt dauf 150'000 Einwohner an und war damit eine der grössten Städte der Welt, ihr Reichtum war legendär und die Kolonialmacht Spanien förderte riesige Mengen an Silber, aber auch Gold, Kupfer Zinn und Blei aus dem Berg und verschiffte die Metalle in die ganze Welt. Ab 1572 wurden hier auch Münzen geprägt. Wegen des ungebremsten Abbaus riesiger Silbermengen kam es zu einem Überangebot und zu einem Preiszerfall und nach 1800 erschöpfte sich das Silber allmählich, was den unausweichlichen Niedergang der Stadt und des ganzen Landes nach sich zog. Zu Spitzenzeiten arbeiteten über 15'000 Bergleute unter miserabelsten Bedingungen in den Minen. Sehr bald konnten nicht mehr genug Arbeitskräfte lokal rekrutiert werden also karrte man afrikanische Sklaven heran.
Die Stollen wurden nicht aktiv belüftet und waren schlecht abgesichert. Giftige Gase, metallhaltiger Staub, Asbest und Unfälle dezimierte die Menschen unter Tage extrem schnell. Weit über eine Million Menschen sollen hier bis heute ihr Leben gelassen haben. Zudem war das zur Silbergewinnung notwendige Quecksilber ein Problem.
Heute gilt Potosí als eine der ärmeren Städte Boliviens. Der Cerro Rico ist durchlöchert wie ein Emmentaler Käse und keiner weiss genau, wo es Stollen gibt und wie sie verlaufen. Dennoch werden munter weitere Stollen vorgetrieben, des Öfteren mit den entsprechenden Konsequenzen. Der Staat hat sich aus dem komplett privatisierten Bergbau zurück gezogen, somit gelten keinerlei Vorschriften und es gibt keine soziale Absicherung für die Mineros. Man kann sich vorstellen, dass wir uns länger überlegt haben, ob wir die Stadt überhaupt besuchen und ob wir eine der Führungen in die Minen mitmachen wollten. Schliesslich haben wir uns dafür entschieden und wir sind nicht nur schwer beeindruckt zurück gekommen, sondern auch unserem Führer, der selbst Minero war, dankbar für seine Offenheit und die vielen Informationen.
Heute ist der Bergbau so organisiert: Es gibt eine Genossenschaft, der die grösstenteils aus der Kolonialzeit stammenden Hauptstollen gehören. Wer über die nötigen Mittel verfügt kann sich Schürfrechte erwerben und Nebenstollen an genau bezeichneten Stellen ausheben. Die Genossenschaft erhält 10% des Wertes der geschürften Erze, die restlichen 90% gehören dem Eigentümer der Schürfrechte. Die Arbeit wird grösstenteils von angestellten Mineros geleistet. Diese erhalten einen fixen Lohn, der mit 3000 Bolivianos pro Monat weit über dem Durchschnittsverdienst in Bolivien liegen. Aber: die Schadstoffsituation unter Tage ist kaum besser als zur Kolonialzeit. Nach durchschnittlich 10 Jahren leidet der Minero unter einer signifikanten Silikose (Staublunge) die auf der Höhe von über 4000 Metern rasch zur Arbeitsunfähigkeit führt. Hinzu kommt ein überbordende Alkohol- und Nikotinkonsum und das dauernde Kauen von Cocablättern. Oft wird die vor Ort immer noch existierende Kinderarbeit angeprangert. Es verhält sich wohl so, dass sich vor allem Eigentümern von Schürfrechten, deren Stollen nicht ergiebig sind und die sich deshalb keine Lohnarbeiter leisten können, sich von ihren eigenen Kindern helfen lassen. Das macht die Sache natürlich nicht besser, aber etwas verständlicher und ob es die ganze Wahrheit ist, bleibt im Dunkeln. Den Behörden jedenfalls ist es egal.
Unter Tage wird von den Mineros der "Thio" als ihr Beschützer und Garant für reiche "Ernte" verehrt. Opfergaben in Form von Cocablättern, Alkohol und Zigaretten sollen seine Gunst erwecken.
Nach etwa einer Stunde des gehens und teils Kriechens duch die Stollen, einatmen seltsam riechender Luft und Hustens wegen des allgegenwärtigen Staubs hatten wir jedenfalls einen eindrucksvollen Einblick in die Arbeitsbedingungen gewonnen. Die Besichtigung war Sonntags, an dem Tag wird im Bergwerk nicht gearbeitet.
Für Potosí als Ortschaft gilt Ähnliches wie für Sucre. Zahlreiche Sakralbauten, Verwaltungsgebäude und Privathäuser zeugen von dem vergangenen enormen Reichtum. Einiges wird restauriert und gepflegt, vieles verfällt aber leider, weil die Mittel dafür fehlen.
Ein absolutes Muss ist eine Führung durch die Casa de la Moneda, die ehemalige riesige Münzstätte des Ortes. Hier wird die Geschichte der Prägung von Silbermünzen und deren Entwicklung von reiner Handarbeit bis zur industriellen Fertigung über die Jahrhunderte hautnah und mit Original Werkzeugen dargestellt und es sind viele weitere in Potosí hergestellte Silbererzeugnisse zu sehen.
Oft standen wir vor verschlossenen Türen der Kirchen und Kathedralen bis wir vertanden haben, dass man nur mit Führung Zutritt erhält und das Einhalten von Öffnungszeiten oft Glückssache ist. So konnten wir die Catedral de San Francisco und die Catedral Basilica de Nuestra Señorsa de La Paz von innen bewundern und von deren Dächern aus den Blick auf Potosí geniessen.
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